
Belgischer Kreisel
Mit Windschatten bezeichnet man die Zone geringerer Windgeschwindigkeit auf der windabgewandten Seite (Lee) eines Strömungshindernisses.
Im Radsport spielt der Windschatten eine wichtige Rolle, da im flachen Gelände ab ca. 20 km/h der Luftwiderstand größer als alle anderen Widerstände ist. Beim Windschattenfahren wird gleichermaßen ein vorausfahrender Radfahrer als „Windbrecher“ benutzt, in dessen Schatten die Luftwiderstandskraft und damit – bei gleicher Geschwindigkeit – auch der zu seiner Überwindung notwendige Anteil an der Leistung bis zu 30 Prozent geringer ist.
Bei den meisten Disziplinen ist dies erlaubt und auch erwünscht − die Geschwindigkeit des Feldes ist sehr viel höher als bei Wettbewerben, bei denen die Fahrer einzeln fahren müssen und die taktische Vielfalt nimmt ebenfalls dadurch zu.
Formen des Windschattenfahrens in Gruppen – Mannschaftszeitfahren[]
In einer speziellen Form des Windschattenfahrens, dem so genannten „Belgischen Kreisel“, wechseln sich die Fahrer ständig ab, so dass die Führungsarbeit zu gleichen Teilen auf alle Fahrer verteilt wird und auch die Fahrer, die sich in einer zweiten Reihe in der Rückwärtsbewegung zum Ende der Gruppe befinden, im Windschatten fahren. Nachteile dieser Formation: Durch den häufigen Führungswechsel muss der jeweils führende Fahrer deutlich schneller als die Geschwindigkeit der Gesamtformation fahren (weil er die Führung und damit ca. 1,80 bis 2,00 m immer wieder beim Führungswechsel abgibt) und die Formation arbeitet nur reibungslos, wenn alle Fahrer annähernd gleich stark sind. Bei den Mannschaftszeitfahren der Tour de France wird diese Technik bei den Spitzenmannschaften überwiegend nicht mehr angewendet.
Andere Formationen sind die Windstaffel, bei der sich jeweils nach etwa 250 m der Führende ans Ende der Gruppe zurückfallen lässt oder (ausschließlich im Training) die Doppelreihe, bei der sich beide führende Fahrer außen an der Gruppe vorbei zurückfallen lassen.
Bei Seitenwind fährt man bei allen Formen des Windschattenfahrens seitlich versetzt. Z. B. fährt bei von links vorne kommendem Wind der erste Fahrer auf der linken Straßenseite, die anderen reihen sich jeweils rechts von ihrem Vordermann auf, wobei das Vorderrad je nach Winkel des schräg einfallenden Windes im Mittel etwa auf Höhe des Tretlagers des Vordermannes sein sollte. Hierdurch kann sich, durch die begrenzte Breite der Straße, jeweils nur eine begrenzte Anzahl von Fahrern an der Gruppe beteiligen (20 bis 25), so dass es bei den belgischen Frühjahrs-Klassikern mit vom Atlantik auf den langen Geraden schräg einfallendem Wind schon allein deswegen schnell zur Aufteilung des Feldes in viele Gruppen kommt. Um dies zu forcieren, kann der führende Fahrer auch statt auf der Windeinfallsseite (im Beispiel links) in der Mitte bzw. fast rechts auf der Straße fahren, um nur einen kleinen Teil der Gruppe „mitzunehmen“. Diese Technik nennt man daher auch „auf der Windkante abhängen“.
Ausreißer, die sich vom Hauptfeld absetzen wollen, haben in der Regel nur dann eine reelle Chance auf Erfolg gegenüber dem Peloton, wenn sie sich im Windschattenfahren gegenseitig abwechseln.
Genaue Untersuchungen mit dem mobilen SRM Training System haben ergeben, dass
- die Luftwiderstandsminderung an unterschiedlichen Positionen einer Reihe von Fahrern – etwa beim Bahnvierer verschieden hoch ist. Der letzte Fahrer muss eine bis zu 15 Prozent höhere Luftwiderstandskraft als die im Windschatten des ersten Mannes vorausfahrenden überwinden;
- auch der führende Fahrer – überraschenderweise und im Gegensatz zum Segeln (s. o. Wind aus den Segeln nehmen) – eine Minderung der Luftwiderstandskraft erfährt.
Triathlon und Einzelzeitfahren[]
Lediglich beim Triathlon und beim Einzelzeitfahren ist das Windschattenfahren verboten und wird mit Disqualifikation bzw. Zeitstrafen bestraft, da es als Verfälschung der eigenen Leistung angesehen wird. Insbesondere bei den langen Geraden der Ironman-Strecke auf Hawaii durch die Vulkan-Wüste bei starken Gegenwinden und hohen Temperaturen tritt Windschattenfahren aufgrund des sehr unterschiedlichen Leistungsniveaus aller Beteiligten sehr häufig auf und wurde gerade in den beiden letzten Jahren zum Reizthema, da regelrechte Sicherheitsabstände vorgeschrieben waren.
Fahren hinter Schrittmachern: Steherrennen – Rekordversuche[]
Durch den Windschatten schuf man auch sportliche Sonderdisziplinen wie z. B. das Steherrennen, bei dem hinter speziellen Motorrädern, die mit einem stählernen Abstandshalter, der Rolle, ausgerüstet sind, auf Radrennbahnen Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h im Rennen erzielt werden. In Deutschland erfreute sich dieser Sport einer besonderen Beliebtheit seit den 20er-Jahren bis hin in die 80er-Jahre, als meist Deutsche den Weltmeister stellten. Eine Steherbahn existiert z. B. heute noch in Solingen.
Am 3. Oktober 1995 erreichte der Niederländer Fred Rompelberg auf dem Salzsee Lake Bonneville in Utah (USA) auf seinem Spezialrad hinter einem Dragster-Rennwagen mit riesigem Windschild eine Geschwindigkeit von 268,831 km/h.